ndg steht ja kurz davor sich ein (Elektro-) Fahrrad (=Pedelc, ich mag diesen Namen aber nicht, das ist wieder so eine Werbefuzzi Namenserfindung) zuzulegen – hoffe ich jedenfalls. Deshalb hier mal in loser Reihenfolge ein paar Gedanken zu dem Thema (Elektro-) Fahrrad. Heute fangen wir also mit der Schaltung an. Ich gliedere hier mal ganz grob in zwei Schaltungstypen: Kettenschaltungen und Nichtkettenschaltungen.
Kettenschaltungen
Kettenschaltungen haben viele Vorteile und wenig Nachteile.
Vorteile: Sie sind seit über 70 Jahren auf dem Markt und deshalb technisch ausentwickelt. Sie funktionieren einfach. Es gibt eine Modulsystem, so dass man bei einer defekten oder ungenehmen Komponente eine große Auswahl an Alternativen hat und eine langfristige Ersatzteilversorgung garantiert ist. Sie haben eine einfache Wartung und lassen sich ohne Spezialwerkzeug auswechseln. Der Wirkungsgrad ist bei einer ordentlichen Pflege viel besser als 95 %. Die Schaltung und das Rad sind voneinander unabhängig, so dass man die Schaltungskomponenten unabhängig vom Laufrad tauschen kann. Es gibt eine Riesige Auswahl an Modellen, so dass man ab ca. 50 € eine gut funktionierende Einheit aus Kassette (das sind die Zahnräder hinten), Schaltung und Schaltgriff bekommt. Am oberen Ende der Preisskala sind für ca. 500 € die motorisch-elektronischen Komponenten, die weit Jenseits von allen Zweifeln sind. Tipp: Darauf achten, dass man mindestens eine 8fach Schaltung hinten hat, die lässt sich gut aufrüsten.
Nachteile: Kettenschaltungen lassen sich nicht sauber bekommen. So oder so braucht man etwas Schmiere, damit die Kette nicht rostet und gut läuft. Ein guter Kompromiss ist allerdings, die Kette oberflächlich zu entfetten (z.B. mit WD40) und dann ein wachsbasiertes Schmiermittel zu verwenden. Das Wachs zieht keinen Schmutz an und lässt sich im Notfall gut aus den Kleidern auswaschen. Ein Kettenschutz lässt sich zwar mit einer Kettenschaltung verwenden, braucht dann aber viel Platz und sieht komisch aus. Eine Kettenschaltung ist nicht idiotensicher, man muss mit ihr zusammenarbeiten und vorausschauend schalten. Wenn man im Wiegetritt mit vollem Druck auf dem Pedal am Berg schaltet, dann kann man die Kettenschaltung beschädigen (mit einer Alfine 11 Nabenschaltung geht das und ist sogar erlaubt!). Zuletzt verlangt eine Kettenschaltung etwas Wartung. Ca. 3-4 mal im Jahr sollte man sie – falls notwendig – nachstellen und reinigen. Die Kette muß mit Öl ca. alle 500 km geschmiert werden, mich Wachs ca. alle 100 km.
Nichtkettenschaltungen
Gleich mal vorneweg: wenn man mehr als 1 km auf seinem Fahrrad fahren möchte, sollte man nur eine Shimao Alfine oder eine Rohloff Nabenschaltung verwenden (SRAM baut keine Nabenschaltungen mehr). Nur diese haben einen Wirkungsgrad größer 90 %, genügend Gänge und werden lange halten. Bei einem Elektrofahrrad könnte man noch die nicht so hochwertige Shimano Nexus akzeptierern und in Kauf nehmen, dass man die nach 5 oder 10 tausend Kilometern erneuert.
Vorteile: Nabenschaltungen lassen sich mit einem Kettenschutz einfach und elegant einpacken und sind deshalb wirklich sauber (zu den ölfreien Riemenantrieben schreibe ich weiter unten etwas). Nabenschaltungen sind idiotensicher, da sie im Stand und auch bei Last geschaltet werden dürfen.
Nachteile: Im Gegensatz zur landläufigen Meinung und zur Auskunft von Umsatzgeilen Verkäufern sind auch Nabenschaltungen nicht wartungsfrei und haben einen äquivalenten Wartungsaufwand wie Kettenschaltungen. Alle 2 Jahre (oder 5000 km) muss die Nabenschaltung geöffnet und das Getriebeöl gewechselt werden – eine durchaus nichttriviale Operation. Kleinere Wartungsarbeiten wie Justage und schmieren der Schaltungskomponenten muss man auch immer mal wieder durchführen. Der Wirkungsgrad einer Nabenschaltung muß prinzipbedingt wesentlich schlechter sein als der einer Kettenschaltung (Rohloff stemmt sich ja heldenhaft dagegen). Wenn man in einem bergigen Gebiet fährt, hat man oft zu wenig Gänge. Nabenschaltungen sind teurer und schwerer als gleichwertige Kettenschaltungen. Die Nabenschaltung ist ans Laufrad gebunden, ein Austausch des Laufrades ist nicht möglich.
Exoten
Riemenantriebe: Umsatzgeile Verkäufer empfehlen gerne Riemenantriebe, weil diese völlig ohne Schmierung auskommen und sauber sind. Das ist dann aber schon der einzige Vorteil, den das Konzept bringt. Mit einem Riemenantrieb ist man völlig inkompatibel zum etablierten Modulsystem von Ketten- und Nabenschaltungen. Alles (Rahmen, Kurbel, Zahnräder, Riemen) ist „spezial“ an diesen Rädern und lässt sich auch nicht auf andere Komponenten umbauen. Continental und Ikea haben ihre Riemenantriebe vom Markt genommen und liefern keine Ersatzteile mehr. Der letzte verbliebenen Hersteller Gates Carbon Drive kommt aus Amerika und kann oft keine Ersatzteile liefern (Amis halt!). Und – nur mal so am Rande – es ist schon auffällig, dass am Automotor der Ventilantrieb mit einer Kette läuft und ein Autoleben lang nicht ausgewechselt werden muss, währen die Lichtmaschine mit einem Riemenantrieb angebunden ist, der alle paar Jahre gewechselt werden muss.
Spezialgetriebe: Pinion baut ein Getriebe das vorne anstatt des Tretlagers verbaut wird. Der Wirkungsgrad ist angeblich genauso gut wie bei der Rohloff Nabenschaltung. Notwendig ist ein spezieller Rahmen. Man bekommt also einen hohen Preis, viel Spezialzeug und keine Vorteile z. B. zur Rohloff Schaltung. Nuvinci stellt eine stufenlose Nabenschaltung her, deren Wirkungsgrad direkt aus der Hölle kommt – deshalb wird sie auch nur an Elektrofahrrädern verbaut. Die Spreizung des Getriebes ist verglichen mit anderen Schaltungen gering. Die stufenlose Gangwahl ist eher ein Nachteil als ein Vorteil.
Ceterum censeo …
Wenn man bereit ist minimale Wartungsarbeiten an seinem Fahrrad selbst durchzuführen, würde ich unbedingt zu einem Fahrrad mit Kettenschaltung raten. Hier hat man einfach Funktion-Kosten-Zuverlässigkeit auf der Habenseite.
Wer wirklich nichts an seinem Fahrrad selbst machen will, der sollte ein Rad mit einer Alfine Nabenschaltung wählen. Wenn Geld keine Rolle spielt, kann auch eine Rohloff Nabenschaltung ausgewählt werden.
Spezialzeug für Spezialexperten wie Riemenantriebe oder Piniongetriebe sind nur für Technikverliebte geeignet, die auch noch zusätzlich ein richtiges Fahrrad besitzen und bereit sind viel Kleingeld auszugeben.